Business as usual? Die Generalzolldirektion im Brexit-Interview
In unseren regelmäßigen Interviews haben uns ganz unterschiedliche Unternehmer von ihren Brexit-Vorbereitungen berichtet. Ein Thema, das öfter aufkam, wenn nach den größten Herausforderungen gefragt wurde, sind Fragen rund um den Zoll. Ausführliche Antworten gibt uns die Generalzolldirektion Bonn im Interview.
Welche Bedeutung hat der Brexit für die tägliche Arbeit des Zolls?
Der Zoll hat sich intensiv auf die Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU vorbereitet und ist gerüstet, seine Aufgaben auch nach dem Brexit zu erfüllen. Bereits zum ursprünglich vorgesehenen Austrittsdatum wurden bundesweite Notfallmaßnahmen festgelegt, um die Auswirkungen abzufedern. Diese Vorbereitungen werden weiterhin aufrechterhalten.
Der Brexit steht insbesondere in den Bereichen der Zollverwaltung im Fokus, die dafür Sorge tragen müssen, dass die Zollverwaltung auch im Fall eines harten Brexit gut vorbereitet ist.
Noch ist Großbritannien ein EU-Mitgliedsstaat, das heißt, die Warenbewegungen von und nach Großbritannien unterliegen aktuell keiner zollrechtlichen Überwachung.
Was hat sich daraus an Veränderungen ergeben?
Wir haben früh ermittelt, dass mit dem Brexit bundesweit ein Mehrbedarf von etwa 900 Kräften besteht. Die zusätzlichen Stellen sind bereits weitestgehend mit ausgebildeten Nachwuchskräften besetzt worden.
Neben Personalfragen haben wir auch Optimierungen im elektronischen Abfertigungssystem ATLAS auf den Weg gebracht. Das heißt, dass sich die Hauptzollämter bei etwaigen Engpässen durch eine dezentrale Bearbeitung von Zollanmeldungen in der Abfertigung unterstützen und flexibel auf sich verschiebende Verkehrsströmungen reagieren können. Die betroffenen Mitarbeiter müssen dabei nicht den Arbeitsort wechseln.
Mit Blick auf den Brexit-Prozess: Was waren für Sie die größten Herausforderungen seit dem Referendum im Jahr 2016?
Die Zollverwaltung konnte im Laufe der letzten Jahre Erfahrungen sammeln, welche zollrechtliche Auswirkung die Aufnahme eines neuen Mitgliedsstaats in die EU hat. Daraus ergaben sich Daten zu Warenverkehr und Zollverfahren im Umgang mit „neuen“ Mitgliedsstaaten.
Beim Brexit ist aber das genaue Gegenteil der Fall: Da der freie Warenverkehr innerhalb der EU zollrechtlich nicht erfasst wird, konnten wir auf keine Daten zurückgreifen.
Die größte Herausforderung war daher die Schätzung des zukünftigen Arbeitsaufkommens – etwa mit Blick auf das zusätzlich benötigte Personal unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten der Zolldienststellen und der Wirtschaftsunternehmen.
Welche Rolle spielt der Frankfurter Flughafen als wichtigster Verkehrsknotenpunkt in Hessen bei Ihren Vorbereitungen auf den Brexit?
Als einer der sogenannten Brexit-Hotspots stand der Frankfurter Flughafen bei den Vorbereitungen in einem besonderen Fokus. Unabhängig vom Ausgang der politischen Verhandlungen werden nach dem Austritt in jedem Fall Zollformalitäten zu beachten sein, die derzeit im Handel mit Großbritannien als Mitgliedsstaat der EU nicht anfallen.
Ein harter Brexit hätte zur Folge, dass der Warenverkehr mit Großbritannien zollrechtlich – wie mit anderen Nicht-EU-Ländern (z.B. USA, China) – abzufertigen ist. Das heißt, der Zoll übernimmt post-Brexit eigentlich keine neue Aufgabe, aber der Umfang wird zunehmen. Wir rechnen mit einem punktuell erhöhten Abfertigungs- und Kontrollaufwand.
Wo sehen Sie nach einem ungeregelten Brexit potenzielle Probleme für Unternehmen, die Handel mit Großbritannien betreiben?
Schwierigkeiten werden insbesondere bei Unternehmen erwartet, die bislang nur innerhalb der EU tätig waren und im Fall eines harten Brexit erstmals zollrechtliche Regelungen beachten müssen. Wir stellen fest, dass sich mit dem Zeitpunkt eines möglichen harten Brexit auch die Fragen der Wirtschaftsbeteiligten erhöhen.
Welchen Unterschied würde eine Verschiebung des Brexit für Sie machen?
Die Zollverwaltung wird ihre Vorbereitungen entsprechend den politischen Vorgaben weiter aufrechterhalten. Das Szenario ist ja kein neues: Bereits durch die Verschiebung von April auf den 31. Oktober wurden die vorbereiteten Maßnahmen, wie eine flexible Steuerung regionaler Personalressourcen, fortgeführt.
Die größte Herausforderung war die Schätzung des zukünftigen Arbeitsaufkommens.
Seit Anfang September werden die EORI-Nummern zugeteilt. Was gibt es dabei zu beachten bzw. wer ist davon betroffen?
Diese Zuteilung erfolgt nur an Unternehmen, die bereits über eine britische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügen, umsatzsteuerrechtliche Lieferungen in andere Mitgliedsstaaten vorgenommen haben und nicht bereits Inhaber einer EORI-Nummer der EU27 sind.
EORI-Nummern, die von der britischen Zollverwaltung vergeben wurden (beginnend mit dem Länderkürzel GB), verlieren mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU ihre Gültigkeit in der EU27, wenn es kein Austrittsabkommen geben sollte.
Deutsche Unternehmen, die Handel mit Großbritannien treiben und bisher über keine EORI-Nummer verfügen, sollten diese zeitnah beim Stammdatenmanagement der Generalzolldirektion beantragen (Formular 0870 per E-Mail an antrag.eori@zoll.de oder ab dem 1. Oktober 2019 auch über das Bürger- und Geschäftskundenportal des Zolls).
In Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern haben wir umfassende Informationsangebote für die Wirtschaft bereitgestellt. Zusätzliche Informationen der Zollverwaltung zum Brexit gibt es unter www.zoll.de. Dort sind auch umfangreiche Informationen zu allen Zollverfahren und zur EORI-Nummer veröffentlicht.
Deutsche Unternehmen, die Handel mit Großbritannien treiben und bisher über keine EORI-Nummer verfügen, sollten diese zeitnah beim Stammdatenmanagement der Generalzolldirektion beantragen.

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