Er bewegt sich, er bewegt sich nicht – Brexit, ein Fortsetzungskrimi
Wäre der Brexit eine Fernsehserie, müsste man den Machern für immer neue Cliffhanger gratulieren, die das Publikum am Bildschirm halten. Nur sind die Brexit-Verhandlungen Politik und die hat Konsequenzen für Wirtschaft, Land und Leute. In dieser Folge unserer Übersichtsartikelreihe blicken wir auf zurückliegende Entwicklungen und auf das, was eine nur noch ganz überschaubare Zeit bis zum Brexit sein könnte – oder doch nicht?
So viel sei vorab gesagt: So richtig absehbar ist in den Brexit-Verhandlungen nicht wirklich etwas. Während die EU-Seite mit Chefunterhändler Michel Barnier betont, die Brexit-Verhandlungen konstruktiv führen zu wollen, hatte Premierminister Boris Johnson immer wieder für Unruhe gesorgt mit Aussagen wie der, dass London nicht mehr an eine Einigung mit der EU glaube. Grund für diese Aussage: ein Telefonat, das Johnson mit Bundeskanzlerin Angela Merkel führte und in dem sie für ihn, drei Wochen vor dem Austrittstermin am 31.10.2019, zu wenig Entgegenkommen in seinem Hauptanliegen, der Nordirland-Frage, zeigte. Die EU möchte, dass Nordirland in der Zollunion verbleibt, um eine harte Grenze zu vermeiden, die den fragilen Frieden im Norden der Insel belasten würde. London lehnt den Verbleib Nordirlands in der Zollunion kategorisch ab. Das würde heißen: Grenzkontrollen.
Was bisher geschah: von Zwangspausen und harten Grenzen
Überhaupt scheint es manchmal, als sei Boris Johnson als neuer Hauptdarsteller in den Brexit-Krimi aufgenommen worden, um ein ermüdetes Publikum wachzurütteln. Seit dem 24. Juli ist Johnson britischer Premierminister. Kein Tag vergeht ohne Meldung von „BoJo“. An ihm scheiden sich die Geister: Er beschert den Konservativen die besten Umfragewerte seit Langem, gleichzeitig sorgt der bekennende Brexit-Hardliner mit seiner No-Deal-Haltung für Furore bei den Brexit-Gegnern, die diese Haltung als verantwortungslos ablehnen.
Das im August in der Presse veröffentlichte Papier „Operation Yellowhammer“ zeigte deutlich, wie schlecht das Vereinigte Königreich auf einen EU-Austritt ohne Abkommen vorbereitet ist. Die darin beschriebenen Worst-Case-Szenarien malen ein dunkles Bild von Warenengpässen, öffentlichen Unruhen und Hamsterkäufen. Labour-Sprecher Keir Starmer betonte das Risiko: „Es ist völlig verantwortungslos, dass die Regierung versucht hat, diese schonungslosen Warnungen zu ignorieren, und die Öffentlichkeit davon abhalten wollte, diese Beweise zu sehen.“ Nach Veröffentlichung der Papiere verlangte das Parlament die Herausgabe sämtlicher Dokumente zu den No-Deal-Planungen der Regierung und Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte ein Misstrauensvotum gegen Johnson an.
Was folgte, war eine Zwangspause, die der Premierminister dem Parlament auferlegte, nachdem dieses ein Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit verabschiedet hatte, das eine Fristverlängerung für den EU-Austritt Großbritanniens vorsieht, sollte bis zum 19. Oktober keine Ratifizierung eines Austrittsabkommens erfolgt sein. In der fünfwöchigen Zwangspause wäre das Parlament bis zum 14. Oktober suspendiert worden; die Pause wurde dann aber Ende September vom obersten britischen Gericht für rechtswidrig erklärt.
Und nun, gut zwei Wochen vor dem Austrittstermin, blickt alles wieder auf einen Meilenstein, den 19.Oktober, an dem sich nun klären soll, welchen Verlauf oder welchen Abschluss die Fortsetzungsserie Brexit-Prozess nimmt und ob sie vielleicht in eine neue Staffel geht.
Die hessische Perspektive
In Hessen bleibt man weiter zuversichtlich. Laut einer Studie der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) ist der Finanzplatz Frankfurt der größte Gewinner des EU-Austritts Großbritanniens: 31 Auslandsbanken hätten die hessische Metropole als Standort gewählt. Ein wenig getrübt wird der Optimismus nur dadurch, dass mit dem Brexit weniger Arbeitsplätze in Frankfurt entstehen werden als ursprünglich gedacht.
Es ist völlig verantwortungslos, dass die Regierung versucht hat, schonungslose Warnungen zu ignorieren.
Europaministerin Lucia Puttrich fasst die hessischen Brexit-Vorbereitungen zusammen: „Wenige Tage vor dem Ende der aktuellen Brexit-Frist steht für uns die Vorbereitung im Fokus. Als Land haben wir alle notwendigen Maßnahmen ergriffen. Aus unserer Sicht besteht weiter die Chance für einen geregelten Austritt, aber auch der ungeregelte Austritt bleibt realistisch. Das hätte über Nacht weitreichende Konsequenzen für annähernd alle Lebensbereiche. Die nächsten Tage sind entscheidend im Brexit-Drama und die Hessische Landesregierung wird das Mögliche tun, um die negativen Auswirkungen für Hessen so gering wie möglich zu halten. Ich empfehle insbesondere allen Unternehmen und Organisationen sowie Privatpersonen, die beispielsweise eine Reise in das Vereinigte Königreich geplant haben, sich aktuell zu informieren. Unter anderem auf unserer Website www.hessen.de sind alle relevanten Aspekte zusammengefasst.“
Die nächsten Tage sind entscheidend im Brexit-Drama und die Hessische Landesregierung wird das Mögliche tun, um die negativen Auswirkungen für Hessen so gering wie möglich zu halten.

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