Zwischen Pandemie und Brexit: der Zoll im Einsatz
Der Brexit ist im Alltagsgeschäft nicht das drängendste Thema: Markus Tönsgerlemann, Leiter des Hauptzollamts Frankfurt am Main, des zweitgrößten Hauptzollamts im Bundesgebiet, berichtet von den Auswirkungen des Brexit auf die Arbeit des Zolls und das Alltagsgeschäft am Frankfurter Flughafen.
Für Markus Tönsgerlemann ist Homeoffice keine Option. Die Arbeit des Zolls ist „Boots on the Ground“: Auch wenn der Personen-Luftverkehr pandemiebedingt stark zurückgefahren ist, herrscht am Flughafen Frankfurt dennoch reger Alltagsbetrieb. Und ebenfalls coronabedingt rückt dabei der Brexit ein wenig in den Hintergrund oder ist in Einzelfällen eher eine Verkomplizierung.
Der Frankfurter Flughafen als der größte internationale Flughafen Deutschlands ist ein wichtiger Knotenpunkt im Herzen Europas bei allem, was den Luftverkehr betrifft. Und über diesen Knotenpunkt laufen in diesen Zeiten vor allem die allerorts benötigten Corona-Testkits. Der Zoll spielt da eine wesentliche Rolle. Zu seinen Aufgaben gehört auch der Schutz der Gesellschaft und in Pandemie-Zeiten bedeutet dies, die Kennzeichnung des Testmaterials zu prüfen und damit die Qualität der Produkte zu gewährleisten.
Hochbetrieb am Flughafen Frankfurt, auch in Corona-Zeiten
Gleichzeitig hat der E-Commerce stark zugenommen und da macht sich der Brexit bemerkbar, denn jede Ware aus Großbritannien muss in der Abfertigung durch den Zoll nun wie Ware aus einem Drittstaat behandelt werden: „Der Handel und damit unsere Arbeit ist komplizierter geworden. Dass jede Ware aus Großbritannien nun einer Sendung aus einem Drittland entspricht, hat dazu geführt, dass sich Formalitäten stark verändert haben. Es ist im Warenverkehr mit Großbritannien ein Schritt zurück in der Zeit wie vor 30 Jahren, vor dem Schengener Abkommen. Und es gibt zusätzlich zollrechtliche Einzelfragen, wie die Anwendung der Präferenzregel, die mitunter kompliziert sind. Das Freihandelsabkommen sieht ja Zollfreiheit für Waren vor, die ihren Ursprung in Großbritannien haben, es ist aber mitunter schwer nachzuvollziehen, ob eine Ware über Großbritannien kommt oder tatsächlich aus dem Vereinigten Königreich. Das ist ein Mehraufwand.“
Diese Veränderung in den Prozessen trifft den Zoll nicht unvorbereitet: Die Vorbereitungen waren gründlich, in enger Abstimmung mit Politik und Wirtschaft und auch personell hatte man sich auf den Mehraufwand vorbereitet. Womit in den Vorbereitungen niemand gerechnet hat, war die Corona-Pandemie, die seit Frühjahr 2020 den Personen-Luftverkehr massiv reduziert und gleichzeitig der Luftfracht eine neue wichtige Rolle verliehen hat. Das hat personelle Kapazitäten freigesetzt, die der Zoll in den durch den Brexit verursachten Mehraufwand stecken konnte. Aber eben auch in den pandemiebedingten Abfertigungsbedarf für Schutzmaterial, das im Frühjahr 2020 gerade über Frankfurt seinen Weg an die Stellen fand, wo es benötigt wurde.
„Wir haben personell zu keinem Zeitpunkt Engpässe erlebt. Auch hier am Flughafen“, sagt Tönsgerlemann. Eine positive Bilanz, da gerade der Personalbedarf im Vorfeld ein Thema war, das sich schwer einschätzen ließ. Im zollfreien Warenverkehr zwischen der EU und Großbritannien gab es in der Vergangenheit keine Daten, auf die man zurückgreifen konnte. „Und natürlich hat sich auch unser elektronisches Abfertigungssystem ATLAS in diesem Kontext bewährt“, ergänzt Tönsgerlemann. „Das erlaubt die personelle Unterstützung dank dezentraler Bearbeitung, ganz ohne Ortswechsel der Mitarbeiter. Und es war zudem ein wichtiger Schritt einer fortgeführten Digitalisierung, auch beim Zoll. Gerade das höhere Warenaufkommen im E-Commerce könnten wir ohne den Einsatz von ATLAS nicht bestreiten.“
Werkzeuge und Angebote nutzen
„Es klemmt nur dort, wo Unternehmen vielleicht angenommen haben, das wird alles schon nicht so eng werden.“ Eine Vermutung aus dem Interview mit der Generalzolldirektion im Jahr 2019 hat sich in Teilen bewahrheitet: Die Umstellung im Handel in Großbritannien ist vielen größeren Unternehmen leichter gefallen, sei es, weil sie vorher schon Handel mit Drittstaaten betrieben haben oder weil sie mehr Personal haben, um sich mit den regulatorischen und Zollthemen rund um den Brexit zu beschäftigen.
Im Warenverkehr mit Großbritannien sind wir 30 Jahre zurück in der Zeit gegangen.
Dennoch ist die Bilanz eine Positive, wie Markus Tönsgerlemann bestätigt: „Wir haben in der Vorbereitung auf den Brexit eng mit Wirtschaft und Politik zusammengearbeitet und haben, etwa in Zusammenarbeit mit der IHK Frankfurt, viele Informationsveranstaltungen angeboten, bei denen die Zollthemen vertiefend diskutiert werden konnten. Dieses Informationsangebot ist uns sehr wichtig.“ Und er teilt noch eine Erkenntnis aus den ersten Monaten der Post-Brexit-Zeit: „Der Eindruck ist, dass es bei vielen Unternehmen gut läuft und nur dort klemmt, wo Unternehmen vielleicht angenommen haben, das wird alles schon nicht so eng werden. Das war eine falsche Einschätzung, wie sich gezeigt hat. Aber im Großen und Ganzen sind die hessischen Unternehmen und die deutschen Unternehmen allgemein gut vorbereitet gewesen.“
Es klemmt nur dort, wo Unternehmen vielleicht angenommen haben, das wird alles schon nicht so eng werden.

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