No-Deal-Schreck an Halloween?
Der Ton wird rauer: Theresa May ist Geschichte, Boris Johnson neuer Premierminister Großbritanniens. Der Brexit-Hardliner will den Ausstiegsvertrag mit der EU neu verhandeln, doch die lehnt ab. Ein No-Deal-Brexit Ende Oktober wird immer wahrscheinlicher.
„Süßes oder Saures?!“ Das hört man an Halloween auch an hessischen Haustüren immer öfter, wenn Kinder und Jugendliche in gruseliger Verkleidung um Süßigkeiten bitten. Am 31. Oktober 2019 könnte auch das jahrelange Brexit-Gezerre mit einem Schrecken enden – nicht umsonst wird der vereinbarte Austrittstermin auch als Halloween-Brexit bezeichnet. Großbritanniens neuer Premierminister Boris Johnson macht jedenfalls deutlich, dass er den Brexit unter allen Umständen vollziehen wird, „ohne Wenn und Aber“. Notfalls eben auch ungeregelt.
Kompromisslos gab sich Johnson bereits bei seiner Kabinettsumbildung. Insgesamt 17 Kabinettsminister mussten gehen (oder gingen freiwillig) und wurden durch Brexit-Befürworter und Johnson-Fans ersetzt. Die britische Presse sprach von einem „Kehraus“, „Massaker“ und „Blutbad“. Und was hält die britische Bevölkerung davon? Auf seiner Tour durch das Land schlug Johnson teils heftige Ablehnung entgegen: In Wales bangen Landwirte um EU-Fördergelder, in Schottland wird ein neues Referendum zum Austritt aus dem Vereinigten Königreich wieder ins Spiel gebracht und Nordirland kann sich sogar eine Vereinigung mit der Republik Irland vorstellen, um eine harte Grenze zu umgehen.
Das Brexit-Chaos geht also weiter. Das bekommt auch das britische Pfund zu spüren. Die Rhetorik der neuen Regierung sorgte für einen Kursrutsch am Devisenmarkt, das Pfund verlor binnen vier Tagen rund 3 Prozent an Wert. Britische Aktien stiegen hingegen. Sie profitieren eher von einem schwachen Pfund und der Aussicht auf eine unterstützende Geldpolitik der Notenbank.
„Der bevorstehende Brexit belastet den deutsch-britischen Außenhandel. Die deutschen Exporte nach Großbritannien verringerten sich von 2015 bis 2018 um 7,8 Prozent.“ Zu diesem Ergebnis kommt das Institut der deutschen Wirtschaft iwd auf Grundlage von Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Hessen schneidet dabei noch relativ gut ab: Hier betrug der Exportrückgang nur 6 Prozent und die Importe aus Großbritannien konnten sogar gegen den bundesweiten Trend um rund die Hälfte gesteigert werden.
Auch im internationalen Standortwettbewerb kann sich Hessen weiterhin gut behaupten. Von 193 ausländischen Firmen, die sich 2018 neu in Hessen ansiedelten, kamen 29 aus Großbritannien. „Neben den bestehenden 29 Neuansiedlungen oder Erweiterungen aus dem Vereinigten Königreich haben elf weitere internationale Investoren den geplanten Brexit als Grund angegeben“, informierte Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. „Die Hessische Landesregierung bedauert den Brexit als großes Unglück für Europa. Aber sie hat auch unverzüglich reagiert und bei ausländischen Unternehmen für Hessen als neuen Brückenkopf in der EU geworben.“
Der bevorstehende Brexit belastet den deutsch-britischen Außenhandel.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier reiste Anfang Juli mit einer großen Delegation in die USA, um amerikanische Banken vom Finanzstandort Frankfurt als Nachfolger Londons zu überzeugen. „Mit Boris Johnson könnte ein ungeregelter Brexit sehr herb werden“, sieht Bouffier die Lage eher kritisch. Doch dass amerikanische Mitarbeiter von London nach Frankfurt umziehen, sei eher unrealistisch. Wenn kämen sie direkt aus den USA. „Dafür will ich hier werben“, so der Ministerpräsident.
Ein Hoffnungsschimmer besteht allerdings noch: Wenn das britische Parlament nach seiner Sommerpause wieder zusammentritt, könnte Boris Johnson ein Misstrauensvotum der Opposition erwarten. Sollte er dieses nicht überstehen und es zu Neuwahlen kommen, könnte es zu Halloween vielleicht doch noch Süßes statt Saures geben.
Mit Boris Johnson könnte ein ungeregelter Brexit sehr herb werden.

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