@HTAI, 21.05.2019 Stimmen zum Brexit

Verlängert heißt nicht einfacher: Unternehmensstimmen zum Brexit

Momentaufnahme aus der Praxis – wir haben bei einigen unserer Interviewpartner nachgehakt: Welche Auswirkungen hat die Verschiebung des Austrittsdatums auf den Unternehmensalltag? Welche Fragen beschäftigen sie jetzt?

Aus welcher Richtung der Brexit-Wind in Zukunft auch kommen mag – hessische Unternehmen sind gut vorbereitet. © istockphoto.com/ Drazen_

Über das letzte Jahr verteilt haben wir Interviews mit Unternehmen aus ganz Hessen geführt und die Stimmungslage zum Thema Brexit erkundet. Das Ergebnis war ein Einblick in die vielfältigen Fragestellungen, die Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen im Brexit-Prozess beschäftigt haben. So konnten wir zum Beispiel einen Blick in die Brexit-Vorbereitungen bei Merck in Darmstadt werfen und exklusive Stimmen aus der Politik einfangen.

„Ziel war und ist es, umfassende Informationen zusammenzustellen, die der internationalen Ausrichtung Hessens Rechnung tragen. Gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen wollen wir Orientierung bieten, sie mit einem umfangreichen Beratungs- und Veranstaltungsangebot unterstützen und ins Gespräch bringen. Das ist uns gut gelungen“, sagt Dr. Rainer Waldschmidt, Geschäftsführer der Hessen Trade & Invest GmbH.

Wir haben bei zwei unserer Interviewpartner noch einmal nachgefragt, wie es heute, nach dem ursprünglich angesetzten Austrittsdatum, in den Unternehmen aussieht. Wie wird die Verschiebung des EU-Austritts Großbritanniens bewertet? Was sind die Themen, die Unternehmen jetzt beschäftigen, auf welches Ziel bereitet man sich nun vor und welche Fragen sind nach wie vor ungeklärt?

Heiner Beckmann, Geschäftsführender Gesellschafter der delta pronatura Dr. Kraus & Dr. Beckmann KG, Hersteller der bekannten Dr. Beckmann Fleckenteufel, und Dr. Uwe Siegmund, Leiter Strategie und Grundsatz im Bereich Kapitalanlagen sowie Brexit-Beauftragter bei der R+V Versicherung, haben für uns kommentiert, wie sich der Unternehmensalltag in der Verlängerung gestaltet.

Gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen wollen wir Orientierung bieten.

DR. RAINER WALDSCHMIDT, Geschäftsführer Hessen Trade & Invest GmbH



Heiner Beckmann hofft auf ein zweites Referendum

Delta Pronatura Interview Heiner Beckmann
Heiner Beckmann, Geschäftsführender Gesellschafter der delta pronatura Dr. Kraus & Dr. Beckmann KG. © Salome Roessler

Ich vermisse, dass man wirklich zügig an einer Lösung arbeitet. Das macht alles nicht wirklich einfacher.

HEINER BECKMANN, Geschäftsführender Gesellschafter der delta pronatura Dr. Kraus & Dr. Beckmann KG

Herr Beckmann, in unserem Gespräch im Mai 2018 sagten Sie: „Der Brexit ist eine Katastrophe. Jeden Tag liest man in der Zeitung, dass keine Lösung in Sicht ist. Ich kann aber nicht bis zum letzten Moment warten, wenn ich unternehmerische Entscheidungen treffen muss.“
Nun liegt der offizielle Austrittstermin bereits hinter uns und noch immer herrschen rund um den Brexit vor allem Fragezeichen. Wo stehen Sie als Unternehmen, was hat sich verändert?

Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass es eben nicht zu einem ungeordneten Brexit kommen wird. Das war voriges Jahr noch anders. Da war unsere größte Befürchtung: ein ungeordneter Brexit mit Chaos an den Grenzen. Um dem vorzubeugen, hatten wir unsere Vorratslager bis an den Rand gefüllt, um knapp sechs bis acht Wochen über die Runden zu kommen. Diese bauen wir jetzt aber sukzessive wieder ab. 

Was vermissen Sie zu diesem Zeitpunkt?

Ich vermisse, dass man wirklich zügig an einer Lösung arbeitet. Das macht alles nicht wirklich einfacher.

Neben allen Vorbereitungen – mit Blick auf den Brexit, was gibt Ihnen Hoffnung?

Ehrlich gesagt hoffe ich auf die Macht der britischen Wähler. Man kann die Schuld nicht nur bei einer Partei suchen und ich hoffe, dass beide Parteien einen Denkzettel verpasst bekommen. Vielleicht kommt es dann doch noch zu einem Referendum, wo sich alles neu organisieren würde.   

Herr Beckmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Dr. Uwe Siegmund hofft auf die Besonnenheit der Kapitalmärkte

Dr. Uwe Siegmund, Brexit-Beauftragter der R+V Versicherung. © Salome Roessler

Die Arbeit des Brexit-Teams der R+V hat sich natürlich beruhigt.

DR. UWE SIEGMUND, Brexit-Beauftragter der R+V Versicherung

Herr Dr. Siegmund, Sie hatten in unserem Interview im Januar realistisch eingeschätzt, dass ein Austrittsabkommen nicht einfach so vom britischen Parlament angenommen werden wird.

Nun befinden wir uns in der Verlängerungsphase. Wie beschäftigt ist das Brexit-Team der R+V Versicherung? Was sind die wichtigsten Fragen, die sich jetzt stellen? Welche Auswirkungen sind spürbar?

Die Arbeit des Brexit-Teams der R+V hat sich natürlich beruhigt, denn wir waren bereits am 29. März auf einen Brexit vorbereitet und sind es somit immer noch. Derzeit stehen bei uns eher kleinere operative Themen und die Beantwortung von Anfragen der Versicherungsaufsicht im Vordergrund. Die Versicherungsbranche ist durch die Verschiebung des Brexits tendenziell eher entlastet, denn EU-Versicherer, die in UK Verträge verkaufen, und UK-Versicherer, die Verträge in der EU verkaufen, haben mehr Zeit für Anpassungen.

Und wieweit betrifft Sie als Unternehmen die Verschiebung des Brexits?

Es betrifft uns als R+V-Versicherung kaum. Die wichtigste Auswirkung ist die weitere Verunsicherung an den Kapitalmärkten. Zum Glück gab es da bisher keine Verwerfungen, weil es ja keinen harten Brexit gegeben hat.

Welche Aufgaben kommen jetzt auf Sie zu und welche Fragen, bezogen auf den Brexit, erreichen Sie dieser Tage?

Neben den Fragen, ob und wie es im Brexit-Prozess weitergeht, erreichen uns zunehmend Fragen, wie die einzelnen Versicherungsverträge bei einem Brexit betroffen sein könnten. Dazu erarbeiten wir gerade eine FAQ aus Kundensicht.

Herr Dr. Siegmund, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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