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Sehr geehrte Leserinnen und Leser, 

nun lassen sich die Wochen bis zum Ende der Brexit-Übergangsfrist schon beinahe an einer Hand abzählen und viele andere, wichtige Themen verlangen ebenfalls nach Aufmerksamkeit. Das hält uns nicht davon ab, den Blick immer wieder über den Kanal auf die Brexit-Verhandlungen zu lenken. Denn es könnte die letzte Verhandlungsrunde vor Ende der Übergangsfrist sein, die dieser Tage beginnt.

Wo genau die Brexit-Verhandlungen stehen, welche offenen Fragen noch immer drängen und welche Gewissheiten sich abzeichnen, das haben wir für Sie in einem Übersichtsartikel zusammengefasst.

Dr. Jürgen Ratzinger, Geschäftsführer des Geschäftsfeldes International bei der IHK Frankfurt am Main und Sprecher des Beirats für Standortmarketing und Außenwirtschaftsförderung der Hessen Trade & Invest GmbH, hat im Gespräch mit Dr. David Eckensberger, unserem Abteilungsleiter Internationale Angelegenheiten bei der HTAI, einen Blick zurück auf den Brexit-Prozess geworfen und erklärt, warum das Thema auch heute, kurz vor Ende der Übergangsfrist, nicht aus dem Bewusstsein rutschen darf.

Und neben den vielen Nachrichten braucht es auch etwas Wärmendes für die kälter werdenden Tage: Unser Brexit-Becher begleitet Sie durch den Tag und hält Earl Grey genauso warm wie Eppelwoi.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre – und bleiben Sie gesund.

Ihr Dr. Rainer Waldschmidt,
Geschäftsführer Hessen Trade & Invest GmbH

Dr. Rainer Waldschmidt Pressefoto
Dr. Rainer Waldschmidt © Christof Mattes

Es könnte die letzte Verhandlungsrunde vor Ende der Übergangsfrist sein, die dieser Tage beginnt.

DR. RAINER WALDSCHMIDT, Geschäftsführer Hessen Trade & Invest GmbH

Stimmen zum Brexit

@HTAI, 19.11.2020 Stimmen zum Brexit

Brexit-Übergangsfrist: Das Ende ist auch nur ein Anfang

Dr. Jürgen Ratzinger hat den Brexit-Prozess von Anfang an, seit Sommer 2016, in all seinen Phasen begleitet: mal hektisch, mal ruhig. Jetzt, da die Wochen bis zum Ende der Übergangsphase an zwei Händen abzuzählen sind, traf Dr. David Eckensberger, Abteilungsleiter Internationale Angelegenheiten der Hessen Trade & Invest GmbH, Dr. Ratzinger remote zu einem Gespräch, das differenziert zurück aber auch pragmatisch in die Zukunft blickt.

Dr. Jürgen Ratzinger im Gespräch über den Brexit-Prozess.© IHK Frankfurt
Dr. Eckensberger: Herr Dr. Ratzinger, der Brexit begleitet Sie thematisch von Anfang an. Können Sie sich noch erinnern, wie es damals war, nach dem Referendum im Sommer 2016?

Das war natürlich eine Premiere und nicht nur wir bei der IHK Frankfurt haben uns gefragt: Was bedeutet das, wenn ein Mitgliedsstaat sich entschließt, die Europäische Union zu verlassen? Das hatte es zuvor so nicht gegeben. Seit Einführung des EU-Binnenmarktes 1993 haben wir eigentlich einen Vertiefungsschritt nach dem anderen erlebt und jetzt tritt auf einmal ein ganz wichtiger Handelspartner aus. Die ersten Fragen waren dann für uns, welche Austrittszenarien möglich sind und auf welchen vielfältigen Ebenen sich das auf deutsche, auf hessische Unternehmen auswirkt. Aber insgesamt lief das alles sehr langsam an nach dem Brexit-Referendum. Es war erst einmal ein Abwarten, es standen ja auch anfangs keine Fristen fest. Die drängenden Fragen kamen später, nachdem die damalige Premierministerin Theresa May den Artikel 50 der Lissabonner Verträge aktiviert und den Austrittsprozess angestoßen hatte.

Dr. Eckensberger: Sie erwähnten die drängendsten Fragen – was waren Themen, die Unternehmen beschäftigt haben und vielleicht bis heute beschäftigen? Es gibt ja immer wieder neue Veranstaltungsformate, wie etwa die anstehende Brexit-Week, die ja auch von der HTAI, dem hessischen Wirtschaftsministerium und dem Enterprise Europe Netzwerk unterstützt wird. Das heißt, es gibt noch Klärungsbedarf?

Wir haben früh versucht ein Bewusstsein für die vielfältigen Dimensionen des EU-Austrittes zu schaffen und haben angeregt, sich mit dem Thema zu beschäftigen: Zollregelungen, Logistikfragen, Finanzmärkte, Mitarbeiterentsendung, um nur ein paar zu nennen. Gerade der Aspekt der Mitarbeiterentsendung und die Situation von Mitarbeitern aus Drittländern, etwa aus Osteuropa, hat von Anfang an viele Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in Großbritannien beschäftigt. Wir haben dann im November 2016 die erste Veranstaltung zu dem Thema bei uns abgehalten und tun dies seitdem kontinuierlich.

So auch jetzt im November: Ende des Monats, vom 23. bis 30. November, startet die besagte Brexit-Week mit einer Vielzahl von Web-Seminaren. Den Auftakt macht am 23.11. eine virtuelle Podiumsdiskussion in Zusammenarbeit mit dem hessischen Wirtschaftsministerium und dem britischen Generalkonsulat zum Thema „Brexit 2.0: Endet mit der Übergangsphase auch die Odyssee?“ Die Podiumsdiskussion ist eine gute Momentaufnahme des Brexit-Prozesses für alle Interessierten, und dann geht es im Lauf der Woche in den Web-Seminaren tiefer in die Themen, die Veränderungen für das UK-Geschäft hessischer Unternehmer nach Ablauf der Übergangsfrist am 1. Januar 2021 bedeuten.

Klar ist im Moment vor allem, was nicht geklärt ist.

DR. JÜRGEN RATZINGER , Geschäftsführer des Geschäftsfeldes International bei der IHK Frankfurt am Main und Sprecher des Beirats für Standortmarketing und Außenwirtschaftsförderung der Hessen Trade & Invest GmbH 

© IHK Frankfurt
Dr. David Eckensberger, Abteilungsleiter Internationale Angelegenheiten der Hessen Trade & Invest GmbH im Gespräch.© HTAI
Dr. Eckensberger: Sie sprachen gerade von einer Momentaufnahme – wo stehen wir, so kurz vor Ende der Übergangsfrist, im Brexit-Prozess und was gilt es jetzt zu bedenken?

Klar ist im Moment vor allem, was nicht geklärt ist: Es ist noch immer nicht geklärt, wie die neuen Beziehungen zwischen der EU-27 und dem Vereinigten Königreich aussehen werden. Klar ist eigentlich auch, dass in der verbleibenden Zeit kein besonders tiefgehendes Handelsabkommen mehr möglich sein wird. Wahrscheinlicher ist die eventuelle Einigung auf ein schlankes Abkommen, in dem das Nötigste adressiert wird, wie ein Verzicht auf Zollsätze.

Sicher ist auch, dass die Dinge sich nun ändern werden, und darauf haben sich die Unternehmen, gerade auch die großen, eingestellt. Die meisten Unternehmen mit Großbritannien-Geschäft haben Weichenstellungen vorgenommen, etwa indem das Wissen um Zollthemen vertieft wurde. Es ist ja auch kein ganz unbekanntes Terrain: Nach der Übergangsphase wird Großbritannien ein Drittstaat, das ist eine bekannte Größe für viele Unternehmen mit Auslandsgeschäft außerhalb der EU. Dennoch, wir bleiben dabei und schärfen weiterhin das Bewusstsein für die Themen, die sich nach der Übergangsphase ganz sicher ändern werden und die es im Blick zu behalten gilt. Dazu gehören etwa das gewerbliche Schutzrecht oder die Frage von Standards, das sind Bereiche, in denen Großbritannien sich abkoppeln wird von der EU. Aber auch in der Logistik oder generell bei der Zusammenarbeit mit Dienstleistern wird sich die Frage stellen: Habe ich hier noch die richtigen Partner? Braucht es eventuell neue Dienstleister? Diese Themen gilt es im Blick zu behalten, genauso wie etwa auch Steuerthemen. Und da möchte ich noch einmal auf unsere bevorstehende Brexit-Week verweisen: Das sind Themen, in die wir in den Web-Seminaren tiefer einsteigen, einfach weil wir gerade jetzt, so kurz vor Ablauf der Übergangsfrist, das Bewusstsein dafür noch einmal stärken möchten. Und der Rücklauf an Anmeldungen zeigt uns, dass das Interesse trotz vieler anderer ebenfalls drängender Themen nach wie vor ungebrochen ist.

Meine Hoffnung ist, dass bei beiden Parteien das gemeinsame Bewusstsein bestehen bleibt, wie wichtig diese wirtschaftlichen Beziehungen sind.

DR. JÜRGEN RATZINGER , Geschäftsführer des Geschäftsfeldes International bei der IHK Frankfurt am Main und Sprecher des Beirats für Standortmarketing und Außenwirtschaftsförderung der Hessen Trade & Invest GmbH

Dr. Eckensberger: Haben Sie mit Blick auf die zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU einen Wunsch?

Wir müssen die Marktpotenziale im Blick behalten. Das Vereinigte Königreich wird ein wichtiger Markt in der Welt und ein wichtiger Partner bleiben. In Hessen allein sind wir über die Automobil- und Pharmaindustrie stark verbunden. Wir bleiben weiterhin in einem fließenden Prozess, der nicht erst am 1. Januar 2021 beginnt oder endet. Auch das Thema Handelsabkommen ist dann nicht beendet.

Mein Wunsch, meine Hoffnung ist, dass bei beiden Parteien, sowohl auf der Seite der EU als auch auf der Seite Großbritanniens, das gemeinsame Bewusstsein bestehen bleibt, wie wichtig diese wirtschaftlichen Beziehungen sind. Und dass dieses Bewusstsein dazu führt, dass man auch weiterhin bemüht ist, möglichst wenig Hindernisse zu schaffen und eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken, die die Beziehungen auf ein festes Fundament stellt. Wir sind ja nicht nur wirtschaftlich, sondern sind auch historisch, mit Blick auf Werte und bei vielen anderen Themen, ganz eng beieinander.

Herr Dr. Ratzinger, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Zur Person

Dr. Jürgen Ratzinger ist Geschäftsführer des Geschäftsfeldes International bei der IHK Frankfurt am Main und Sprecher des Beirats für Standortmarketing und Außenwirtschaftsförderung der Hessen Trade & Invest GmbH. In dieser Funktion hat er immer eine doppelte Perspektive auf die Geschehnisse: Was passiert im Ausland, und was heißt das für Unternehmen in Hessen und Deutschland?


Hessen Trade & Invest

@HTAI, 19.11.2020 Hessen Trade & Invest

Der Brexit auf der Zielgeraden – gibt’s am Ende nur Verlierer?

Die Brexit-Übergangsphase endet unweigerlich Ende 2020. Dann scheidet Großbritannien aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Ohne Austrittsvertrag drohen Zölle und andere Hürden für die Wirtschaft. Dennoch wird der No-Deal-Brexit immer wahrscheinlicher – allein aus Zeitmangel.

Fotofinish mit ungewissem Ausgang – auch auf den letzten Metern der Brexit-Verhandlungen bleibt es spannend.© Unsplash / Tirza van Dijk

Der Brexit fühlt sich an wie ein Marathon, bei dem die Laufstrecke nicht nur verlängert, sondern zusätzlich mit vielen Hindernissen bestückt wurde. Obwohl die Beteiligten vor einiger Zeit mit dem erfolgreich verhandelten Austrittsvertrag zum Zwischenspurt ansetzten, scheint dem geregelten Brexit auf der Zielgeraden die Puste auszugehen.

Briten ändern den Vertrag und verspielen Vertrauen

Für viele völlig überraschend kündigte Premierminister Johnson an, mit dem britischen Binnenmarktgesetz (UK Internal Market Bill) Teile des Austrittsvertrags außer Kraft zu setzen. Die EU wertete das Gesetz, das mit einer überraschend deutlichen Mehrheit im britischen Unterhaus verabschiedet wurde, als Vertrauensbruch und Verstoß gegen internationales Recht. David McAllister, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament, bestätigte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Das UK Internal Market Bill hat die Verhandlungen erheblich belastet.“

Boris Johnson geht es mit dem Gesetz wieder einmal vorrangig um Nordirland. Hatte Johnson im Austrittsvertrag noch die engere Anbindung Nordirlands an die EU akzeptiert, wird das durch sein Binnenmarktgesetz wieder geändert. Obwohl die EU daraufhin ein Verfahren einleitete, das letztlich vor dem Europäischen Gerichtshof enden könnte, gingen die Verhandlungen weiter – teilweise sogar auf höchster Ebene zwischen Johnson und EU-Präsidentin Ursula von der Leyen. Konkrete Fortschritte wurden allerdings nicht erzielt.

Das UK Internal Market Bill hat die Verhandlungen erheblich belastet.

DAVID MCALLISTER, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament

Corona als Bremse

Es liegt mit Sicherheit auch an der Corona-Pandemie, dass sich die Verhandlungen lange Zeit so schwierig gestalteten. Das Eindämmen des Virus zog nahezu alle Aufmerksamkeit und Ressourcen auf sich. Auch das Binnenmarktgesetz könnte eine Folge von Corona sein. Gut möglich, dass Boris Johnson damit Sympathien zurückgewinnen und innenpolitisch seine Position stärken wollte, nachdem sein Schlingerkurs in der Pandemie-Bekämpfung zunehmend kritisiert wurde.

JP Morgan verlagert 200 Mrd. Euro nach Frankfurt

Während die Politik zaudert, schafft die Wirtschaft Fakten. Nachdem der Finanzstandort Frankfurt ohnehin schon als einer der Gewinner des Brexit feststand, wandern nun weitere Vermögenswerte von London an den Main. Informierten Kreisen zufolge verlagert die US-Bank JP Morgan 200 Milliarden Euro zur Frankfurter Tochtergesellschaft. Damit würde JP Morgan zum sechstgrößten Kreditinstitut in Deutschland aufsteigen.

US-Wahl als Beschleuniger?

Der Präsidentenwechsel in den USA könnte die Chancen auf einen Deal erhöhen. Wahlsieger Joe Biden ist der EU zugetan – im Gegensatz zum Brexit-Anhänger Donald Trump, der ein lukratives Handelsabkommen mit Großbritannien im Sinn hatte. Der Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei (SNP) im britischen Parlament, Ian Blackford, forderte Johnson auf, dass er über seinen Ruf als „Großbritanniens Trump“ nachdenken sollte. Johnson hätte sich mit seiner Politik von der Weltbühne isoliert. Wörtlich schrieb er bei Twitter: „I hope Boris Johnson is reflecting on the way he’s isolated himself and the UK on the world stage. He’s alienated Scotland and the devolved nations, he’s alienated Europe with an extreme Brexit, and he’s alienated the United States by siding so closely with Trump.“

Und wie geht’s weiter?

Bisher wurde von beiden Seiten stets betont, dass bis spätestens Ende Oktober ein Deal stehen muss, damit noch ausreichend Zeit ist, diesen durch die Parlamente zu ratifizieren. Ende Oktober ist allerdings ohne Deal verstrichen. Wahrscheinlich sind nun zwei Szenarien: der ungeregelte Brexit, der allerdings weder von der EU noch von den Briten gewollt sein kann, auch wenn Boris Johnson diese Lösung immer wieder als durchaus praktikabel darstellt. Das zweite Szenario wäre ein begrenztes Freihandelsabkommen, sozusagen ein Deal light. Dies würde jedoch verglichen mit der Zeit vor dem Brexit sehr wahrscheinlich erhebliche Handelsbarrieren zwischen der Insel und der Europäischen Union schaffen. Branchen, die auf reibungslose grenzüberschreitende Lieferketten angewiesen sind, sowie der Dienstleistungssektor im Allgemeinen würden davon besonders stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Zeit rennt also. Das Ziel ist in Sicht – bleibt die Frage, ob es mit oder ohne Deal überquert wird.

I hope Boris Johnson is reflecting on the way he’s isolated himself and the UK on the world stage.

IAN BLACKFORD, Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei (SNP), im britischen Parlament

@HTAI, 19.11.2020 Hessen Trade & Invest

Brexit-Week vom 23. bis 30. November 2020

Nach dem 1. Januar 2021 geht es weiter: Mit dem Ende der Brexit-Übergangsfrist sind die europäisch-britischen Handelsbeziehungen nicht Geschichte, sie werden nur eine Weile brauchen, sich neu zu definieren. Das macht es um so wichtiger, die vielfältigen Themen im Blick zu behalten, auf die der EU-Austritt Großbritanniens einen Einfluss hat.

Sicher gut informiert: das Online-Format Brexit-Week für hessische Unternehmer.© Sarom Yohannes

Zollregelungen, Logistikfragen, Finanzmärkte, Mitarbeiterentsendung: Das sind nur ein paar der Themen, die hessische Unternehmen nach wie vor beschäftigen, wenn es um den Brexit geht. Erhalten Sie Antworten auf Ihre drängendsten Fragen in der Online-Seminar-Reihe „Brexit-Week“ vom 23. bis 30. November.

Den Auftakt macht am 23.11. eine virtuelle Podiumsdiskussion in Zusammenarbeit mit dem hessischen Wirtschaftsministerium und dem britischen Generalkonsulat zum Thema „Brexit 2.0: Endet mit der Übergangsphase auch die Odyssee?“. Die Podiumsdiskussion ist eine gute Momentaufnahme des Brexit-Prozesses für alle Interessierten und dann geht es im Lauf der Woche in den Online-Seminaren tiefer in die Themen. Eine ausführliche Brexit-Betrachtung finden Sie zudem im Interview von Dr. David Eckensberger (Hessen Trade & Invest GmbH) mit Dr. Jürgen Ratzinger (Geschäftsführer des Geschäftsfeldes International bei der IHK Frankfurt am Main und Sprecher des Beirats für Standortmarketing und Außenwirtschaftsförderung der Hessen Trade & Invest GmbH).

Hier geht es zur Anmeldung für die Podiumsdiskussion.


Die Veranstaltungen der Brexit-Week

Eine Übersicht aller Veranstaltungen zum Thema Brexit finden Sie unter Termine

  

Aus der Politik

@Staatskanzlei, 28.10.2020 Aus der Politik

Dialog zwischen Landesregierung und Finanzplatz Frankfurt

Es war ein Arbeitsgespräch unter dem Eindruck stark anwachsender Infektionszahlen in Hessen. Dennoch haben Wirtschaftsminister Tarek-Al-Wazir, Europaministerin Lucia Puttrich und Finanzminister Michael Boddenberg gestern Abend mit hochrangigen Vertretern des Finanzplatzes Frankfurt über die Auswirkungen des Brexit gesprochen. Das Arbeitstreffen fand unter strengen Hygieneregeln statt.

Seit März laufen die Verhandlungen der künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Nach neun offiziellen Verhandlungsrunden bleiben aktuell nur noch wenige Tage, um zu einer Einigung zu kommen. Die anhaltende Unsicherheit, ob und zu welchen Konditionen dies gelingt, hat schon jetzt spürbare Auswirkungen auf den europäischen Finanzmarkt und seine Akteure. Was das im Tagesgeschäft konkret bedeutet, welche Vorbereitungen für die unterschiedlichen Szenarien zu treffen sind und wie nachhaltig der Brexit auch die kommenden Monate prägen wird, all das waren Fragen, die im Rahmen des Austauschs der Landesregierung mit Vertretern des Finanzplatzes heute in Wiesbaden erörtert wurden.

„Die Bewältigung der Corona-Pandemie ist eine historische Herausforderung. Die Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft sind schon heute dramatisch und wir können derzeit nur spekulieren, welche Stoßwellen zeitversetzt auch den europäischen Finanzmarkt erreichen. Umso wichtiger ist es, die richtigen Weichen für den Finanzplatz Frankfurt zu stellen. Der Finanzplatz London wird auch nach einem harten Brexit ein enorm wichtiger Partner für Kontinentaleuropa und damit auch für Frankfurt bleiben. Wir sollten deshalb weiter an guten Beziehungen mit London arbeiten. Dazu gehört nicht nur eine gute Stimmung, sondern auch die richtigen Rahmenbedingungen. Gemeinsam stehen wir nicht in einem europäischen Wettbewerb gegeneinander, sondern in einem weltweiten Konkurrenzkampf. Hierbei müssen wir auch in Zukunft auf europäische Stärken setzen“, hob Europaministerin Lucia Puttrich hervor und sagte weiter: „Dazu müssen wir unsere Hausaufgaben erledigen. Der Finanzplatz braucht nicht nur viele Talente aus der ganzen Welt, sondern auch Rahmenbedingungen, die ein Wachstum ermöglichen. Wir müssen weiter an einer europäischen Kapitalmarkt- und Bankenunion arbeiten und damit auch Frankfurt attraktiver machen. Der Wettbewerb um eine globale Spitzenposition im Finanzmarktbereich hat gerade erst begonnen.“

Auch in Zukunft auf europäische Stärken setzen.

LUCIA PUTTRICH, Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten

Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir sagte: „Die Corona-Pandemie stellt die gesamte Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Doch sind Hessen und der Finanzplatz Frankfurt im Vergleich zu anderen europäischen Standorten deutlich besser durch die Krise gekommen. Das liegt auch an der strategischen Ausrichtung: Neben dem Ausbau der FinTech-Aktivitäten treibt Hessen das Thema Künstliche Intelligenz voran, ob mit dem KI-Zentrum Hessen oder dem Financial Big Data Cluster. Beides sind wegweisende Projekte mit Strahlkraft. Zudem hat der Finanzplatz Frankfurt auf dem Weg zum führenden Sustainable Finance Standort durch die erste Klima-Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors einen kräftigen Schub erhalten. Der Brexit, so sehr wir ihn bedauern, hat den Finanzplatz Frankfurt gestärkt. 64 Banken und Finanzdienstleister haben Erlaubnis- oder Änderungsanträge bei der BaFin gestellt, um ihre Präsenz in Deutschland auf- oder auszubauen. Das zeigt, wie attraktiv vor allem der Finanzplatz Frankfurt ist. Klar ist aber auch, dass die Finanzwirtschaft erst dann weitere Entscheidungen über Verlagerung und Personalbedarf treffen kann, wenn Rahmenbedingungen und Über-gangsfristen des Brexit endgültig feststehen. Wichtig ist, im Gespräch zu bleiben und dazu dient der gestrige Austausch.“

Der Finanzplatz Frankfurt ist strategisch sehr gut aufgestellt und setzt auf Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit.

TAREK AL-WAZIR, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen

Mit dem bevorstehenden Ende der Übergangsphase wird deutlich: Der EU-Finanzmarkt verändert sich. Für viele Finanzgeschäfte gingen Kunden bisher nach London. Nun sind Standorte in der EU 27 gefragt. Frankfurt steht dabei im Wettbewerb mit anderen Finanzplätzen. Die Dominanz Londons nimmt etwas ab. Die dynamische Neuorientierung der Finanzwirtschaft bietet erhebliche Chancen. „Frankfurt muss diese Chancen auch in Zukunft für sich nutzen und seine Stärken im europäischen Konzert ausbauen,“ so Finanzminister Michael Boddenberg. „Attraktive Standortbedingungen entstehen nicht am Reißbrett. Daher braucht es den Dialog vor Ort am Finanzplatz: kontinuierlich, konstruktiv und konkret. Das heutige Treffen ist ein Beleg für diesen erfolgreichen Austausch der Landesregierung mit den Akteuren aus Finanzwirtschaft und Aufsehern.“

Finanzminister Boddenberg weiter: „Auch darüber hinaus muss Frankfurt die neue Dynamik für sich nutzen. In London sind Veränderungen erkennbar: Die dortige Politik veröffentlicht in diesen Tagen erste Überlegungen für die Londoner City in der Zeit nach der Übergangsphase. Wenn Frankfurt auch in Zukunft zu den führenden Finanzplätzen weltweit zählen soll, dürfen Politik, Aufseher und Marktteilnehmer hierzulande die Entwicklung in London nicht aus dem Blick verlieren. Nicht, um in eine Deregulierungsspirale zu geraten, sondern um innovative Entwicklungen zu erkennen und voranzubringen.“

Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, Europaministerin Lucia Puttrich und Finanzminister Michael Boddenberg leiten die Steuerungsgruppe Brexit der Hessischen Landesregierung. Die Auseinandersetzung mit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs hat für die Landesregierung bereits seit dem Referendum eine hohe Priorität. Insbesondere da der Finanzplatz Frankfurt unmittelbar betroffen ist. So führt der Brexit unter anderem zum Verlust der Finanzpassrechte. Institute, die heute im Vereinigten Königreich ansässig sind und von dort aus den europäischen Markt bedienen, benötigen künftig eine entsprechende Lizenz innerhalb der EU. Das hat bereits in den vergangenen Monaten zu Verlagerungen von Geschäftseinheiten nach Kontinentaleuropa bzw. dem Ausbau hiesiger Standorte geführt. Frankfurt hat davon bisher in besonderer Weise profitiert.

Rund 60 Lizenzanträge seien bisher gestellt worden. Das unterstreiche die herausragende Stellung Frankfurts im europäischen Gefüge und die attraktive Infrastruktur vor Ort. Die Minister betonten in ihren Ausführungen aber auch, dass man sich auf diesem Zwischenerfolg nicht ausruhen wolle, sondern weitere wichtige Initiativen vorantreiben werde.

Der Handel mit Finanzdienstleistungen wird in den Verhandlungen der künftigen Beziehungen nicht als Teil eines Freihandelsabkommens verhandelt. Vielmehr haben sich die Verhandlungspartner in der politischen Erklärung des Austrittsabkommens mit einer Bemühensklausel politisch verpflichtet, Äquivalenzentscheidungen zu treffen. Damit die Firmen ihre europäischen Kunden künftig wie gewohnt bedienen können, muss die EU-Kommission zuerst das britische Regelwerk für äquivalent erklären. Betroffen sind nicht nur die britischen Banken und Brokerhäuser, sondern auch europäische Unternehmen, die ihren Kapitalbedarf in London decken. Seitens der EU sind danach insgesamt 40 Äquivalenzentscheidungen vorzubereiten und zu treffen. Die Entscheidungen darüber stehen derzeit aus.

Am Austausch nahmen u.a. Vertreter nationaler und internationaler Institute, der Deutschen Börse, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin sowie der Deutschen Bundesbank, der FinTech Community Frankfurt, des Sparkassen-Giroverbands Hessen-Thüringen, der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance und des Verbands der Auslandsbanken teil.

Die Finanzmärkte in Europa verändern sich. Frankfurt muss die Dynamik für sich nutzen.

MICHAEL BODDENBERG, Hessischer Minister der Finanzen

Information


@HTAI

Veranstaltungen zum Thema Brexit

Die wichtigsten Veranstaltungen zum Thema Brexit auf einen Blick. Bleiben Sie informiert, diskutieren Sie mit.

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10.11.2020 — 26.11.2020

Web-Seminar-Reihe: „Post-Brexit – Vorbereitung auf den 1. Januar 2021“

Zum 31. Dezember 2020 endet die Übergangsphase zum Austritt des Vereinigten Königreiches (VK) aus der EU. Damit ändert sich die Beziehung zwischen der EU und dem VK ab 1. Januar 2021 erheblich. Außerdem ist das Risiko hoch, dass das VK die EU Ende des Jahres ohne Abkommen verlässt. Daher gilt: Für den 1. Januar 2021 vorbereitet zu sein! Die Brexit-Seminar-Reihe bietet Ihnen die Möglichkeit, sich intensiv mit den relevanten Themen auseinanderzusetzen:

10. November 2020 Brexit im Überblick; 12. November 2020 Brexit & Zoll; 16. November 2020 Brexit & Dienstleistungen; 26. November 2020 Brexit & Recht

Informationen und Anmeldung


19.11.2020

Online-Seminar: „BREXIT – Quo vadis EU und GB?“

Wie wirkt sich die Unsicherheit beim Brexit auf die Unternehmen aus? Wie ist die wirtschaftliche Lage im Vereinigten Königreich? Wie laufen die Transporte von und nach Großbritannien? Diese und weitere Fragen wollen wir in unserem Online-Seminar erörtern und beantworten.

Informationen und Anmeldung


23.11.2020 — 30.11.2020
© Sarom Yohannes

Brexit-Week

Es bleibt nervenzerreißend rund um den Brexit. Nur noch wenige Wochen, dann endet die Übergangsphase. Aber viele Punkte sind noch offen. Was genau erwartet Unternehmen zum 1. Januar 2021 im UK-Geschäft? Erhalten Sie Antworten auf Ihre drängendsten Fragen in der Online-Seminar-Reihe „Brexit-Week“ vom 23. bis 30. November..

Mehr Informationen

Übersicht über alle Veranstaltungen der Brexit-Week


24.11.2020
GTAI

Online-Seminar: „Brexit Readiness – Vorbereitung für das Ende des Übergangsphase“

GTAI und das Department for International Trade informieren Sie, was sich ab 1. Januar 2021 in den Bereichen Zoll und Wareneinfuhr, Marktzugang sowie Dienstleistungen ändert.

Informationen und Anmeldung


08.12.2020
GTAI

Online-Seminar: „Brexit Update Medizintechnik (Teil 2): Zoll, Einfuhr und Marktzugang“

Was geschieht nach dem 1. Januar 2021? Auf welches Szenario sollen sich deutsche Medizintechnikunternehmen einstellen? Welche Vorbereitungen sollten Sie treffen, um weiter Waren nach Großbritannien einführen zu können?

Informationen und Anmeldung