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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

der Brexit wirft seine Schatten voraus und sorgt momentan vor allem für eines: Ungewissheit. In zahlreichen Gesprächen, die wir im letzten Jahr rund um das erste Brexit Update geführt haben, wurde deutlich: Im Hin und Her der Verhandlungen fehlt vielen Leserinnen und Lesern mitunter der Überblick über den Stand der Dinge. Das wollen wir ändern. Was sind neueste Entwicklungen in den Brexit-Verhandlungen? Welche Maßnahmen können hessische Unternehmer jetzt schon treffen? Wie ist die Stimmung im Vereinigten Königreich?

Diesen und anderen Fragen gehen wir in diesem Brexit Update nach. So auch im exklusiven Interview mit Lucia Puttrich, der Hessischen Landesministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten. Sie gibt einen Überblick über den Stand der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien und erklärt, welchen Handlungsspielraum die Hessische Landesregierung für sich nutzen kann.

Ein kurzer Auszug aus dem Bloomberg-Brexit-Bulletin wirft einen Blick über den Kanal ins Vereinigte Königreich und zeigt, welche Schockwellen dem Brexit vorausgehen. Hier beleuchtet am Beispiel der britischen Automobilindustrie.

In einem Rückblick mit Ausblick lassen wir Revue passieren, was die HTAI 2017 an Veranstaltungen und Maßnahmen rund um den Brexit auf den Weg gebracht hat und was für 2018 geplant ist.

In zehn Fragen aus der Unternehmenspraxis informiert Germany Trade & Invest darüber, welche Auswirkungen der Brexit auf die Handelsregeln zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich haben wird. Ob Zolltarife, Währungsschwankungen oder Arbeitsmigration – die Autoren beleuchten, welche Themen Unternehmer jetzt unter die Lupe nehmen sollen.

Ich wünsche eine informative Lektüre.

Ihr Dr. Rainer Waldschmidt,
Geschäftsführer Hessen Trade & Invest GmbH


Im Hin und Her der Brexit-Verhandlungen fehlt mitunter der Überblick. Das wollen wir ändern.

DR. RAINER WALDSCHMIDT, Geschäftsführer Hessen Trade & Invest GmbH

Dr. Rainer Waldschmidt © Christof Mattes

Sie wollen auch weiterhin umfassend über den Brexit informiert werden?

Wir wollen Brexit-Interessierte noch zielgenauer erreichen. Deshalb möchten wir Sie bitten, sich in unseren Brexit-Verteiler einzutragen. Sie erhalten weiterhin das „Brexit Update“, den exklusiven Newsletter zum Thema Brexit der Hessen Trade & Invest GmbH.

Wir berichten regelmäßig in Interviews und Reportagen über Standpunkte und Meinungen hessischer Unternehmer. Bleiben Sie auf dem Laufenden mit Neuigkeiten aus der Politik und Einladungen zu relevanten Veranstaltungen. 

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Aus der Politik

@Hessische Staatskanzlei, 07.03.2018 Aus der Politik

Wo steht der Brexit? Europaministerin Lucia Puttrich im exklusiven Interview

Die Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Lucia Puttrich gibt im exklusiven Interview einen Überblick, wo die Brexit-Verhandlungen stehen und was dies für Hessen bedeutet.

Lucia Puttrich, Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, über den aktuellen Stand der Brexit-Verhandlungen.© Hessische Staatskanzlei

Frau Puttrich, können Sie uns einen Überblick über den aktuellen Stand der Brexit-Verhandlungen geben?

Die EU arbeitet aktuell gleichzeitig an drei Themen: Für den Entwurf des Austrittsabkommens, der bis Oktober 2018 vorliegen soll, werden die ersten Textbausteine formuliert. Gleichzeitig müssen die Verhandlungen über eine Übergangsphase und die Leitlinien zum künftigen Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien vorbereitet werden. Die EU um Chefverhandler Michel Barnier ist hier wirklich gut aufgestellt und weiterhin konsequent in der Verhandlungsführung.

Das gilt für die Briten überhaupt nicht. Dort gibt es bei zentralen Fragen des Austritts oder über das künftige Verhältnis weiterhin keine klare Position. Das macht eine Prognose zum weiteren Verhandlungsverlauf unmöglich. Auch 13 Monate vor dem Brexit wissen wir nicht, ob sich dieser geordnet vollziehen wird oder nicht.

Bei den Briten gibt es bei zentralen Fragen des Austritts oder über das künftige Verhältnis weiterhin keine klare Position. Das macht eine Prognose zum weiteren Verhandlungsverlauf unmöglich.

LUCIA PUTTRICH, Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten

Sehr wichtig: Bei einem harten Brexit am 30. März 2019 – also ohne Austrittsabkommen – wird es auch keine Übergangsphase geben. Großbritannien würde dann Drittstaat werden, und das hätte dramatische Auswirkungen auf alle Lebensbereiche und insbesondere die bestehenden Handelsbeziehungen.

Wie schätzen Sie die aktuellen Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen aus hessischer Sicht ein?

Derzeit geht es noch immer um zentrale Austrittsfragen wie Bürgerrechte, finanzielle Entflechtung und den Grenzverlauf zwischen Irland und Nordirland. Um die Bedeutung dieser Themen zu verstehen, helfen diese Zahlen: Im EU-Haushalt fehlen nach dem Brexit jährlich 12–13 Milliarden Euro netto. 3,2 Millionen EU-Bürger leben in Großbritannien und 1,2 Millionen Briten in der EU. Das hat natürlich auch unmittelbare Konsequenzen auf EU-finanzierte Projekte in Hessen oder die hier lebenden Menschen. Wir unterstützen daher die Bundesregierung und das Verhandlungsteam der EU in der Grundhaltung, dass Großbritannien zu den eingegangenen Verpflichtungen stehen und diese erfüllen muss. In vielen Punkten haben sich die Positionen der britischen Regierung an diejenigen der EU angenähert. Das ist ein wichtiger Teilerfolg.

Inwieweit können Sie hessische Interessen in die Verhandlungen miteinbringen? Welche Kanäle stehen Ihnen hierfür zur Verfügung?

Durch den Brexit werden sowohl die EU als auch Großbritannien verlieren. Wir versuchen aber, auch Chancen zu definieren, um den Schmerz zu lindern. In Berlin und Brüssel sind wir sehr gut vernetzt und nutzen bestehende Kontakte, um für die hessischen Positionen einzutreten. Mit dem Finanzplatz in Frankfurt haben wir beispielsweise sehr spezifische Interessen, die wir selbstbewusst einbringen. Hessen ist auch Mitglied in einer Bund-Länder-AG, in der wir mit der Bundesregierung über den hiesigen Gesetzanpassungsbedarf und relevante Themen sprechen.

Spannend wird es, wenn wir tatsächlich in die Verhandlungen um die künftigen Beziehungen eintreten. Dann werden wir selbstverständlich auch dort die Interessen der hessischen Wirtschaft vertreten. Zur Vorbereitung habe ich in den vergangenen Monaten viele Gespräche mit Unternehmen, die Beziehungen nach Großbritannien haben, gesprochen. Auch das Hessische Wirtschaftsministerium hat eine Vielzahl an Aktivitäten aufgesetzt, um frühzeitig gut informiert und vorbereitet zu sein.

Nach aktuellen Studien sieht eine Mehrheit der europäischen Wirtschaft einen weichen Brexit auf uns zukommen.
Ist diese Einschätzung in Anbetracht der aktuellen bestehenden Verhandlungsergebnisse überhaupt noch realistisch?

Aus meiner Sicht wäre es mehr als fahrlässig, sich darauf zu verlassen. Ich wiederhole: In Brüssel wird nach wie vor über zentrale Fragen des Austritts verhandelt. Nur wenn es hier zur Einigung kommt und die Abgeordneten des Europäischen und britischen Parlaments dem Austrittsabkommen am Ende auch zustimmen, bekommen wir einen geordneten „weichen“ Brexit. Im besten Fall mit einer Übergangsphase. Das ist sowohl im Interesse der Verhandlungsparteien als auch der Wirtschaft. Aber die tiefe Zerrissenheit Großbritanniens bereitet mir große Sorgen. Weder die Regierung noch die einzelnen Regionen kommen zu einer einheitlichen Verhandlungsposition.

In Berlin und Brüssel sind wir sehr gut vernetzt und nutzen bestehende Kontakte, um für die hessischen Positionen einzutreten.

LUCIA PUTTRICH, Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten

Presseberichten ist zu entnehmen, dass zahlreiche deutsche Unternehmen der Politik die anhaltende Unsicherheit vorwerfen.
Können Sie hessischen Unternehmen einen Tipp oder eine Empfehlung aussprechen, wie sie sich in den nächsten Wochen oder Monaten verhalten sollten?

Unsichere Rahmenbedingungen sind Gift für Handelsbeziehungen und Investitionen. Aber wir müssen damit rechnen, dass sich daran frühestens im Herbst 2018 etwas ändern wird. Dann wissen wir hoffentlich genauer, wie der Brexit ablaufen wird und die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien aussehen werden. Bis dahin kann ich nur appellieren, in verschiedenen Szenarien zu planen. Hoffen auf den bestmöglichen Ausgang der Verhandlungen und Planen auch für den schlimmsten Fall. Die Hessische Landesregierung ist in derselben Position und auch wir treffen entsprechende Vorkehrungen. Wir stehen gleichzeitig als Ansprechpartner bereit, um betroffene Unternehmen bestmöglich zu informieren und zu beraten.

Unsichere Rahmenbedingungen sind Gift für Handelsbeziehungen und Investitionen.

LUCIA PUTTRICH, Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten

Aus der Wirtschaft

@Bloomberg L.P., 16.02.2018 Aus der Wirtschaft

Der Brexit-Schock erreicht die britische Automobilindustrie

Stellenabbau bei Vauxhall, Produktionskürzungen bei Jaguar Land Rover – der Brexit wirft seine Schatten voraus und Gewerkschaftsführer fürchten, dass dies erst der Anfang ist.
Im Brexit-Bulletin von Bloomberg berichten Suzi Ring und Chris Jasper über die Schwierigkeiten, die auf die britische Automobilindustrie zukommen, abhängig davon, wie sich die Handelsbeziehungen zwischen Europa und dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit gestalten.

Der Brexit sorgt für Unmut in der britischen Automobilindustrie.© istockphoto.com/ pierrephoto

Zölle und andere Handelshemmnisse könnten desaströse Auswirkungen auf die Automobilindustrie haben, in der tagtäglich Produktionsteile Grenzen überqueren, mitunter mehrmals innerhalb des Fertigungsprozesses. Ein Beispiel hierfür: BMW Mini mit Fertigung in Oxford. Bevor es auf die Montagelinie geht, wird jede Kurbelwelle in Frankreich produziert, dann ins britische Motorenwerk nach Hams Hall nahe Birmingham transportiert, bevor es für die finale Montage nach Steyr in Österreich geht.

Diese fein abgestimmten Produktionsabläufe stehen auf dem Spiel bei den Bemühungen der Regierung, die zukünftigen Handelsbeziehungen mit Europa zu gestalten. Eine Zollunion, wie sie die britische Regierung ausschließt, würde zukünftigen Beziehungen etwas von den Spannungen nehmen. Regulierungen und Quoten könnten weitere Hindernisse darstellen, abhängig davon, wie das finale Abkommen aussieht. „Die Leute sollten nicht unterschätzen, welche Risiken der Brexit mit sich bringt“, sagt John Cooper, Gewerkschaftsvertreter aus Ellesmere Port. „Warum sollte Nissan in England investieren, wenn es dasselbe Auto in Spanien ohne die Belastung durch Zölle produzieren kann?“

Auch die Labour-Partei, unterstützt von den Gewerkschaften, rätselt noch, wie sie ein Abkommen gestalten würde, wenn sie die Chance bekäme. Es waren Labour-Wähler, die in den industriellen Kernregionen mit überwältigender Mehrheit für den Brexit gestimmt haben, in dem Versuch, Arbeitsplätze vor Ort zu erhalten. Die Wirtschaftsvereinigung Institute of Directors schlägt eine Hybridlösung vor, die helfen würde, die Industrie zu schützen und gleichzeitig den Handelsspielraum für das Vereinigte Königreich in den Verhandlungen vergrößern würde.

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Die Leute sollten nicht unterschätzen, welche Risiken der Brexit mit sich bringt. Warum sollte Nissan in England investieren, wenn es dasselbe Auto in Spanien ohne die Belastung durch Zölle produzieren kann?

JOHN COOPER, Gewerkschaftsvertreter, Ellesmere Port

Stimmen zum Brexit

@GTAI, 07.03.2018 Stimmen zum Brexit

Der Brexit in der Unternehmenspraxis in zehn wichtigen Fragen

Eine Tatsache inmitten vieler unbekannter Variablen: Mit dem Brexit werden sich die Handelsregeln zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich (VK) ändern. Unabhängig von konkreten Szenarien sollten sich Unternehmer schon jetzt einige grundsätzliche Fragen stellen und sich mit relevanten Themen vertraut machen. So können sie schnell handeln, sobald alle Details geklärt sind. Insbesondere sollten Unternehmer abschätzen, wie groß der Umstellungsaufwand wäre – und ob der britische Markt diesen Aufwand rechtfertigt.

von Oliver Döhne, Germany Trade & Invest Berlin

Ein starkes Pfund? Experten rechnen mit anhaltenden Wechselkurseffekten.© istockphoto.com/ georgeclerk

Wie stark werden meine Kunden im VK betroffen sein?

Einige Branchen leiden schon heute mehr als andere unter dem Brexit. Dazu gehört vor allem die Kfz-Industrie. Aber auch in vielen weiteren Branchen drohen Einschläge. Es ist ratsam, sich bei Abnehmern im VK zu erkundigen, wie sie die Lage einschätzen. Gleichzeitig sollten Unternehmer sich über geplante Standortverlagerungen und Investitionsprojekte sowie Absatzprognosen von Verbänden auf dem Laufenden halten. Sind Änderungen in der Wertschöpfungskette geplant? Wie entwickeln sich Kaufkraft, Wechselkurs und Inflation? „Der Brexit beißt zu, bevor er überhaupt stattgefunden hat“, sagt die GTAI-Marktbeobachterin in London, Annika Pattberg. „Schon jetzt sind negative Auswirkungen auf Gesamtkonjunktur, Investitionen, Produktion und Konsum zu beobachten.“

Wie preissensibel ist die Nachfrage nach meinen Produkten im VK?

Die Ausfuhr auf die Insel wird künftig einen höheren personellen, administrativen und finanziellen Aufwand erfordern. Folglich werden deutsche Firmen ihre Waren im VK zu höheren Preisen anbieten müssen. Unternehmer sollten deshalb schon jetzt kalkulieren, wie hoch der Aufschlag in etwa sein würde, und abschätzen, wie groß der preisliche Spielraum gegenüber der außereuropäischen Konkurrenz ist. Als Anhaltspunkt eignen sich die Zollsätze im aktuellen Zolltarif der EU, denn daran wird sich das VK voraussichtlich orientieren – jedenfalls zunächst. Selbst ein Freihandelsabkommen macht nicht zwangsläufig alle Waren zollfrei. Für bestimmte Produkte könnten begrenzte Einfuhrmengen gelten, die innerhalb eines festgelegten Zeitraums zollbegünstigt oder zollfrei eingeführt werden dürfen. Dazu kommen nichttarifäre Handelshemmnisse: So könnten auf Unternehmer neben mehr Bürokratie und längeren Wartezeiten auch neue Normen und Standards zukommen. Mehr dazu: Siehe übernächste Frage.

Ist Kompetenz für die zukünftige Zollabwicklung im Unternehmen vorhanden?

Selbst wenn es ein Freihandelsabkommen geben sollte, ist eine Zollabfertigung notwendig. Deutsche Unternehmen sollten deshalb prüfen, ob Mitarbeiter fortgebildet oder neu eingestellt werden müssen. Alternativ kann ein Zollagent eingeschaltet werden, dann reicht eine Grundlagenschulung. „Je nach Umfang des VK-Geschäfts lohnt es sich, die Zulassung als zugelassener Ausführer beim Zoll zu beantragen und über die Anschaffung eines entsprechenden IT-Systems nachzudenken“, sagt GTAI-Zollexpertin Stefanie Eich.

Wie zeitkritisch sind meine Produktlieferungen in das VK?

Unabhängig davon, ob es ein Folgeabkommen geben wird: Unternehmer müssen mit spürbaren Wartezeiten an den Grenzen rechnen. Dafür sorgen in einem Worst-Case-Szenario beispielsweise ausführliche Inspektionen wegen abweichender Normen und Standards, eigener Kennzeichnungs- und Produktsicherheitsvorschriften sowie von Verboten und Beschränkungen. Experten bezweifeln, dass das britische IT-Zollsystem diesen Aufgaben gewachsen ist und eine effiziente und zeitnahe Abfertigung gewährleisten kann. Personelle Engpässe könnten die Zollabfertigung weiter verzögern: Allein auf britischer Seite fehlen rund 5.000 Zollbeamte. Die Wartezeiten machen den gesamten Lieferprozess unvorhersehbar und erfordern zusätzliche Warenlager. „Zur Sicherheit sollten Unternehmer einkalkulieren, dass die Ware ab dem 29. März 2019 einige Zeit im Zoll hängen bleibt“, rät Annika Pattberg.

Der Brexit beißt zu, bevor er überhaupt stattgefunden hat. Schon jetzt sind negative Auswirkungen auf Gesamtkonjunktur, Investitionen, Produktion und Konsum zu beobachten.

ANNIKA PATTBERG, GTAI-Marktbeobachterin, London, UK

Gibt es alternative Bezugsquellen für Vorprodukte aus dem VK?

Unternehmer müssen sich darauf einstellen, dass auch die Einfuhr von Vorprodukten künftig teurer und umständlicher wird. Mehrteilige Produktionsprozesse können unwirtschaftlich werden, deshalb sollten Unternehmer über alternative Bezugsquellen aus anderen EU-Ländern nachdenken. Gleichzeitig lohnt es sich, den Wechselkurs in Auge zu behalten: Britische Vorprodukte werden bei einem schwachen Pfund Sterling tendenziell günstiger.

Ist mein VK-Geschäft ausreichend gegen Währungsschwankungen abgesichert?

Der Brexit verursacht starke Wechselkurseffekte, die sich aller Voraussicht nach fortsetzen werden. Wichtig ist eine genaue Analyse der eigenen Abläufe: Wie lang sind die Produktzyklen? Welche Risikobereitschaft besteht bei Währungsschwankungen? Welche Möglichkeiten gibt es, um sich gegen Schwankungen abzusichern? Annika Pattberg rät, mit starken Pfund-Wechselkursschwankungen zu rechnen. Wo Verträge nicht auf Eurobasis abgeschlossen werden können, können Vertragsparteien einen Währungskorridor vereinbaren und sich das Risiko teilen, falls der Korridor verlassen wird.

Welche steuerlichen Änderungen kommen auf mich zu?

„Die Anzahl möglicher steuerlicher Folgen des Brexits ist ebenso groß wie die der möglichen Verhandlungsergebnisse“, sagt Gunnar Pohl, Head of Tax Services bei der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer in London. Die Bandbreite reicht von Umsatzsteuerfragen bei Lieferungen ins VK bis zur Besteuerung von Wirtschaftsgütern, die aus der deutschen Zentrale ins VK überführt werden. Das Doppelbesteuerungsabkommen sollte der Brexit nicht betreffen. Sozialversicherungsrechtliche Erleichterungen wie beim Formular A1 könnten wegfallen.

Welchen Einfluss hat der Brexit auf meine laufenden Verträge?

„Besonders Brexit-gefährdet sind Dauerschuldverhältnisse wie Mietverträge, die über den März 2019 hinaus abgeschlossen sind“, sagt GTAI-Rechtsexperte Karl Martin Fischer. Ob solche Verträge infolge des Brexits angepasst oder sogar gekündigt werden können, hängt von vielen Faktoren ab. Unklar ist, ob Verträge, die als Geltungsbereich die EU definieren, das VK nach dem Brexit noch umfassen. „Hier ist Vorsicht geboten“, sagt Fischer. „Es sind nicht nur Verträge mit britischen Geschäftspartnern betroffen, sondern eventuell auch Verträge mit innerdeutschen Partnern, Schuldverhältnissen oder Partnern aus Drittländern, beispielsweise, wenn in einem Handelsvertretervertrag die EU als Vertriebsgebiet festgelegt wird.“

Auf welche gesellschaftsrechtlichen Änderungen muss ich mich einstellen?

Ist eine Haftungsbeschränkung nach dem Brexit noch wirksam, wenn eine Limited, die englische Form der GmbH, ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat? „Vermutlich nicht“, sagt Fischer. „Die Limited wird als Personengesellschaft behandelt. Wenn das Geschäft weitergeführt werden soll, besteht Handlungsbedarf.“ Beispielsweise können die nach den Regeln des europäischen Rechts vereinfachten Möglichkeiten zur Sitzverlegung oder zur Verschmelzung zeitnah genutzt werden.

Hängt mein Geschäftsmodell davon ab, dass regelmäßig Mitarbeiter und Ausrüstung die Grenze passieren?

Für Unternehmer, die oft Mitarbeiter und Equipment über die Grenze schicken, wird sich womöglich einiges ändern. „Der Wegfall der freien Arbeitsmigration zwischen Vereinigtem Königreich und EU nach dem Brexit ist eine reelle Möglichkeit“, sagt Fischer. Selbst für Messe- und Ausstellungsbesuche könnten künftig Visa und Arbeitserlaubnisse notwendig werden. Für Messeequipment wird voraussichtlich ein Carnet ATA erforderlich, das bei der örtlichen IHK erhältlich ist.

Zum Original-Artikel

Der Wegfall der freien Arbeitsmigration zwischen Vereinigtem Königreich und EU nach dem Brexit ist eine reelle Möglichkeit.

KARL MARTIN FISCHER, GTAI-Rechtsexperte

Hessen Trade & Invest

@HTAI, 02.05.2018 Hessen Trade & Invest

Rückblick 2017 – Ausblick 2018

Nach dem Brexit-Votum in Großbritannien im Juni 2016 hat die HTAI sehr schnell erste Maßnahmen und Projekte initiiert und damit zeitnah auf die entstandene große Unsicherheit reagiert.

Auf zahlreichen Veranstaltungen informierte die HTAI 2017 über den Brexit.© Boensch

Seit Sommer 2016 tauschen sich regelmäßig sämtliche Akteure der regionalen Wirtschaftsförderung mit dem Wirtschaftsministerium und der Hessischen Staatskanzlei aus. Dabei geht es gleichermaßen um internationale Marketingaktivitäten für den Wirtschaftsstandort Hessen und um Brexit-Informationen für die hessische Wirtschaft.

Die vom Hessischen Wirtschaftsministerium beauftragte Studie „Hessen und der Brexit“ wurde im vergangenen Jahr bei vier Veranstaltungen in Frankfurt, Kassel, Wetzlar und Darmstadt öffentlich vorgestellt und diskutiert. Mit dem Brexit Update wollen wir darüber hinaus die hessische Wirtschaft in unregelmäßigen Abständen über wichtige Meilensteine der Brüsseler Austrittsverhandlungen und die damit verbundenen Konsequenzen informieren.

Mit dem Brexit Update wollen wir die hessische Wirtschaft über wichtige Meilensteine der Brüsseler Austrittsverhandlungen und die damit verbundenen Konsequenzen informieren.

DR. RAINER WALDSCHMIDT, Geschäftsführer Hessen Trade & Invest GmbH

Um die Chancen für den Finanzplatz Frankfurt und den Standort Hessen optimal zu nutzen, hat die HTAI in Abstimmung und Kooperation mit regionalen Wirtschaftsförderungspartnern im vergangenen Jahr zahlreiche Marketingveranstaltungen weltweit organisiert. Dabei standen neben Großbritannien vor allem die Länder USA, China, Indien, Japan und Israel im Fokus der Bemühungen um zusätzliche Banken- und Unternehmensansiedlungen. In diesem Zusammenhang hat die HTAI Anfang 2017 eine zusätzlichen Brexit-Marketingbroschüre mit dem Titel „Welcome to Frankfurt, Welcome to Hessen“ herausgegeben. Ergänzend dazu stehen potenziellen Investoren unter invest-in-hessen.com umfangreiche Informationen und Studien als Download zur Verfügung.

Zum Ende des Jahres 2017 hatten rund 20 internationale Banken angekündigt, eine neue Niederlassung in Frankfurt zu eröffnen oder eine bereits bestehende Niederlassung auszubauen. Diese Entwicklung belegt die hohe internationale Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Frankfurt und Hessen. Zunehmend entscheiden sich auch internationale Investoren für Hessen, die anderen Branchen als der Finanzwirtschaft zuzuordnen sind.

Für 2018 planen wir den „Maßnahmen-Mix“ aus Informationsveranstaltungen für die hessische Wirtschaft und verstärktem internationalem Standortmarketing weiter fortzusetzen. Hessen ist als Standort im Herzen Europas mehr denn je sehr attraktiv.

Diese Chancen gilt es weiterhin zu nutzen. Gleichzeitig werden wir in diesem Jahr eine zweite Studie „Hessen und der Brexit: ein Jahr nach der Antragstellung“ offiziell vorstellen und damit dem Wunsch der Unternehmen in Hessen nach Informationen zu den möglichen Folgen des Brexits entsprechen.

Hessen ist als Standort im Herzen Europas mehr denn je sehr attraktiv. Diese Chancen gilt es weiterhin zu nutzen.

DR. RAINER WALDSCHMIDT, Geschäftsführer Hessen Trade & Invest GmbH

@HTAI

Veranstaltungen zum Thema Brexit

Die wichtigsten Veranstaltungen in der Region zum Thema Brexit auf einen Blick.
Bleiben Sie informiert, diskutieren Sie mit.


15.03.2018 — 16.03.2018

Brexit – and What It Means

Das XVII. Walter-Hallstein-Kolloquium des Merton Zentrums für Europäische Integration und Internationale Wirtschaftsordnung nimmt die Folgen des geplanten Austritts in den Blick und fragt etwa nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Brexits, der weiteren Entwicklung der EU ohne das Vereinigte Königreich, den Auswirkungen auf das britische Recht oder den Möglichkeiten der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

Veranstaltungsort: Campus Westend, IG-Farben-Haus, Eisenhower-Saal, Raum 1.134
Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main

Weitere Informationen

Programm (PDF)


23.04.2018

Online-Seminar „Vereinigtes Königreich: Brexit Update“

Das Online-Seminar des Germany Trade & Invest beschäftigt sich mit den neuesten und für die Wirtschaft relevantesten Entwicklungen aus den Bereichen Recht und Zoll im Hinblick auf den Übergang in Phase zwei der Austrittsverhandlungen, welche die zukünftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich beinhaltet. Die noch laufenden Austrittsverhandlungen sowie die Verhandlungen einer Übergangsphase zur Verhinderung eines abrupten Austritts werden ebenfalls berücksichtigt.

Referenten: Karl Martin Fischer | Senior Manager Ausländisches Wirtschaftsrecht GTAI Bonn
Stefanie Eich | Associate/Manager Zoll GTAI Bonn

Die Teilnahme ist kostenfrei.
Veranstaltungsart: Online-Seminar

Weitere Informationen

Anmeldung